Recensions

Rafael Behr, Polizeikultur. Routine – Rituale – Reflexionen. Bausteine zu einer Theorie der Praxis der Polizei, Wiesbaden: VS Verlag, 2006, 211 S. (ISBN 978-3-531-14584-6)[Notice]

  • Barbara Thériault

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  • Barbara Thériault
    Université de Montréal

Es ist das Verdienst Rafael Behrs, mit der Studie Cop Culture aus dem Jahr 2000 den Begriff und das Programm einer „Polizeikulturforschung“ in Deutschland eingeführt zu haben. Mit seinem neuen Buch Polizeikultur. Routine Rituale – Reflexionen verfolgt der Autor zwei Ziele: Zum einen will er seine Überlegungen zur Polizeikultur weiterführen, zum anderen aber auch aktuelle Trends beschreiben, die die Entwicklung der Polizei in Deutschland kennzeichnen. Diese zwei Aspekte führt er, wie im Untertitel des Buches angedeutet wird, zu einer „Theorie der Praxis der Polizei“ zusammen. Mit seinen über die Jahre gesammelten Erfahrungen, die ihn zu einem Kenner der Polizei machen, bietet uns Behr nun mit Polizeikultur jedoch ein neues Genre. Im Gegensatz zu Cop Culture haben wir es hier nicht mehr mit einer ethnographischen Monographie zu tun, vielmehr schwankt das Buch zwischen Lehrbuch und Manifest. Trotz der großen Bandbreite an Themen, die das Buch anspricht, kreist letztlich doch alles unablässig um die Frage: Was eigentlich ist Polizei? Und wie kann man sie begreifen? Behr stellt dazu methodische, inhaltliche, aber auch polizeistrategische Überlegungen an. Weil die von ihm vorgeschlagenen Antworten zweifellos einen Beitrag zur Polizeiforschung leisten, gleichzeitig aber auch methodologische Probleme bereiten, möchte ich sie unter den Begriffen Kultur, Vielfalt und Theorie der Praxis aufgreifen. Behr unterscheidet zwischen zwei Kulturebenen: der Polizeikultur und der Polizistenkultur („cop culture“). Die erste Ebene ist mit der formalen Organisation verbunden, sie ist die Kultur der Bürokratie, die der Soziologe z. B. in Leitbildern aufspüren kann. Dagegen hat die „cop culture“ (manchmal auch Subkultur genannt) mit Alltag und sozialem Nahraum zu tun. Sie ist im informellen Bereich bemerkbar etwa beim Plaudern mit Polizisten in der Kantine. „Cop Culture ist“, so Behr, „das ‚Konzentrat’ des polizeilichen Alltagswissens“ (S. 39) oder anders gesagt: Sie entspricht den Rezepten (im Sinne Alfred Schütz’), die die männlich und oft widerständig geprägte Lebenswelt der Polizisten kennzeichnen. Weil Kultur immer neu konstruiert wird und Handlungsräume unterschiedlich prägt, wird Behr nicht müde zu betonen, dass es nicht „die“ Polizistenkultur gibt. Festzuhalten wäre also, dass Polizistenkultur ein relativ klares Erscheinungsbild bei unbestimmtem Inhalt bietet. Polizeikultur und Polizistenkulturen prägen die Arbeit der Polizisten und deren Handlungsräume auf unterschiedliche Art und Weise, da sie in Konkurrenz zueinander stehen. Eines jedoch teilen sie, nämlich das Gewaltmonopol, das Behr – entsprechend der klassischen Definition von Polizei – als konstitutiv für die Organisation und ihr Personal ansieht und das die Polizei bei aller Heterogenität zusammenschweißen sollte. Die Frage, die daher im Zentrum von Behrs Überlegungen steht, lautet: Wie lassen sich Polizeikulturen und Polizistenkulturen miteinander vereinbaren? Dieses Problem versucht der Polizeiforscher eher praktisch als methodisch oder theoretisch zu lösen. Er setzt auf Gemeinsamkeiten zwischen den zwei Kulturen, vor allem aber auf die Strapazierfähigkeit und das Handlungspotenzial der „cop culture“. Als Lösungsansatz wird hier u. a. vorgeschlagen, einen „Institutionenpatriotismus“ zu entwickeln sowie Möglichkeiten zu schaffen, das eigene Handeln stärker zu reflektieren. Gedacht ist dabei beispielsweise an den Einsatz von Supervision oder die Entwicklung von Kultur- und Verhaltens-Kodexen. Mittlerweile ist ein weiterer Aspekt in den Mittelpunkt von Behrs Interesse gerückt: die Vielfalt innerhalb der Polizei. Dafür stehen beispielhaft neben der Präsenz von Frauen seit den späten 70er Jahren die jüngsten Versuche, Migranten einzustellen. Dies ist auch zentrales Thema des von Behr geleiteten Forschungsprojekts „Migranten in Organisationen von Recht und Sicherheit“ (MORS). Nach einer Beschreibung der Schwierigkeiten, mit denen die Einstellungsversuche von Polizisten mit Migrationshintergrund (S. 121-134) verbunden gewesen sind, unterbreitet Behr in Kapitel drei und vier ein Modell, das auf einer gemeinsamen „Kultur der Polizei“ und Vielfalt beruht. Mit dem Schlagwort des „Institutionenpatriotismus“ (S. 185ff.) will der Polizeiforscher um eine Haltung werben gemäß dem Leitmotiv des „Nach außen verhalten wir uns einheitlich, …

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