Recensions

Patricia Purtschert/Katrin Meyer/Yves Winter (Hg.), Gouvernementalität und Sicherheit. Zeitdiagnostische Beiträge im Anschluss an Foucault, Bielefeld: Transcript 2008[Record]

  • Philipp Schink

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In den Diskursen, die sich bemühen die Transformationsprozesse und Neustrukturierungen der aktuellen politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse zu erfassen und zu analysieren, ist Sicherheit eines der Konzepte, auf das regelmäßig und häufig Bezug genommen wird. Ob versucht wird den Wandel von Arbeitsverhältnissen anhand der Diagnose einer zunehmenden Prekarisierung und Flexibilisierung zu fassen, oder ob die Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte problematisiert wird, regelmäßig fungiert „Sicherheit“ als die Kategorie, anhand derer die unterschiedlichen politischen, sozialen und ökonomischen Transformationsprozesse deutlich gemacht werden. Dabei erfolgt auf der einen Seite ein positiver Bezug auf den Begriff der Sicherheit, nicht zuletzt, da dieser „weit mehr verspricht als bloßen Schutz, nämlich Gewissheit, Verlässlichkeit und vor allem Beruhigung und Geborgenheit.“ Auch in normativen politischen Theorien sind beispielweise Freiheit von Angst, Erwartungs- und Rechtssicherheit oder soziale Sicherheit häufig Bezugspunkte, denen ein zentraler Stellenwert zukommt. Auf der anderen Seite ist der Begriff der Sicherheit jedoch negativ konnotiert und wird als eine primär repressiv wirkende Kategorie aufgefasst. So dient z.B. die Forderung nach Sicherheit häufig als konservatives Argument dafür, den Versuch der persönlichen oder politischen Neuerung zu unterbinden, oder sie wird als legitimatorische Grundlage für exzessive polizeiliche oder militärische Maßnahmen gegen tatsächliche oder vermeintliche terroristische oder kriminelle Gefahren bemüht. Sowohl in Hinblick auf die aktuellen öffentlichen Debatten als auch in Bezug auf die ideengeschichtliche Tradition lässt sich feststellen, dass Sicherheit in aller Regel im Verhältnis zu dem Begriff und normativen Ideal der Freiheit diskutiert wird. Das Verständnis des Konzepts und der Bedeutung von Sicherheit hat sich derartig eng durch den Bezug auf das Ideal der Freiheit herausgebildet, dass der Zusammenhang dieser beiden Begriffe stets bei der Thematisierung und Problematisierung jedes einzelnen von ihnen mitreflektiert werden muss. Wie sehr sich dabei einzelne Konzeptionen von Freiheit und Sicherheit und ihres Verhältnisses unterscheiden können, lässt sich anhand der beiden großen Strömungen der neuzeitlichen politischen Theorie und Philosophie demonstrieren. So wird beispielweise in der Tradition republikanischen politischen Denkens die Freiheit der Bürger durch eine Sicherheit etablierende und gewährleistende staatliche Ordnung erst ermöglicht. Diese Ordnung beruht auf dem Prinzip der Macht- und somit Gewaltenteilung und besteht in einer Struktur von Institutionen, die sich wechselseitig kontrollieren und so die einzelnen Bürger gegen Übergriffe anderer sichern - auch da diese wiederum das jeweilige Wirken der Institutionen (zumindest) kontrollieren. „Sicherheit“ wird hier weniger mit dem direkten Schutz von Leib und Leben in Verbindung gebracht, sondern bezeichnet ein zentrales Element einer Konzeption von Freiheit, in der Personen dann als frei zu bezeichnen wären, wenn niemand – weder Einzelpersonen, noch Korporationen oder Institutionen – , willkürlich in die Belange anderer eingreifen kann. D.h. in dieser Konzeption wird schon die Existenz der Möglichkeit zur Interferenz als Freiheitseinschränkung begriffen, und sich nicht nur auf tatsächlich erfolgende, aktuale Einmischungen konzentriert. Überlegungen, welche rechtlichen, politischen und sozialen Verhältnisse Freiheit gewährleisten können, werden somit schon auf der grundlegenden Ebene normativer Konzeption relevant und gehen in diese ein. Im liberalen politischen Denken dagegen wurde Sicherheit als ein der Freiheit konzeptuell äußeres Prinzip verstanden. Auch wenn, um wesentliche Freiheiten zu garantieren, eine dies gewährleistende politische Ordnung etabliert werden muss, so schränkt diese nichtsdestotrotz den individuellen Freiheitsspielraum der ihr unterliegenden Bürger ein. Während also im Liberalismus Freiheit und Sicherheit in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen und ihre Beziehung dauerhaft neu etabliert und konfiguriert werden muss, so bedingen sie im republikanischen politischen Denken einander. Dies impliziert, dass tatsächlich in den jeweiligen Strömungen politischen Denkens nicht nur das Verhältnis von Sicherheit zu anderen normativen Idealen unterschiedlich gefasst wird, sondern – wie schon angedeutet – dass auch inhaltlich unter Sicherheit jeweils anderes verstanden wird. Die differenten Konzeptionen werden jedoch in gewisser Weise durch die stärker im Diskurs der politischen Theorie und Philosophie präsente …

Appendices